Neugierig blicken einige Studierenden durch die gelbe Tür, die wie bei einem Schweizer Käse mit gläsernen Löchern einen Blick in den dahinterliegenden Raum ermöglicht: die Materialwerkstatt an der Fakultät für Design und Künste, konzeptionell eher einer Materialbibliothek nahekommend.

In Petrischalen und anderen Gefäßen gewachsene Pilz-Materialien, Objekte, die aus Verbindungen geraspelter Nussschalen verbunden mit Glycerin entstanden sind, Entwürfe für Akustikpaneele und dazwischen neueste Materialien, die verschiedene Firmen entwickelt haben. „Wir möchten in unserer Materialwerkstatt zeigen, welche oft ungewöhnlichen Materialen am Markt vorhanden sind aber auch Querverbindungen aufzeigen“, so Prof. Aart van Bezooijen. Dieses Wissen dient vor allem den Studierenden im Master Ökosoziales Design, in welchem der Niederländer seit vergangenem Jahr an der Fakultät für Design und Künste in Bozen lehrt. Die Materialwerkstatt soll aufzeigen, wie aus Vorhandenem Neues geschaffen werden kann, wie man es niederschreibt und über die Open Source-Logik - gleich der Digitalen Welt - mit allen Wissensdurstigen teilt.

„Wir haben in unserem FabLab erst kürzlich Workshops gehalten, bei denen Vorhandenes neu verbunden wurde. Diese Produkte wurden dann als „Rezepte“ festgehalten und sind nun öffentlich zugänglich. Vom „Eggstone“ aus Eierschalen und Gelatine über „Juici Carta“ also Saftpapier bis hin zu „tasty waste“, bei dem Lebensmittelabfälle wie Orangenschalen oder Kaffeepulver verbunden und gepresst werden."

„So haben wir in unserem FabLab erst kürzlich Workshops gehalten, bei denen Vorhandenes neu verbunden wurde. Diese Produkte wurden dann als „Rezepte“ festgehalten und sind nun öffentlich zugänglich. Vom „Eggstone“ aus Eierschalen und Gelatine über „Juici Carta“ also Saftpapier bis hin zu „tasty waste“, bei dem Lebensmittelabfälle wie Orangenschalen oder Kaffeepulver verbunden und gepresst werden. Dokumentiert und festgehalten in der Materialwerkstatt, die als Fundus für alle Studierenden dienen soll und immer mehr den Charakter einer Bibliothek erhält.
„Ich habe zuletzt an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle gearbeitet“, erzählt Aart van Bezooijen. „Dort haben wir den Ansatz verfolgt, dass Materialien eine gemeinsame Sprache ermöglichen. Ähnlich wie in Halle soll über die Bozner Sammlung von Exponaten, durch den Tausch und Gemeinschaftsausstellungen ein Netzwerk aufgebaut werden. So hielt der Dozent bereits während der Sustainability Days im September Workshops, bei denen verschiedene Rezepturen getestet wurden.

Dem gingen Workshops wie „Grow It Yourself“ voraus, in dem mit Mycelium experimentiert wurde und aus dem Objekte wie der Growing Sneaker des Absolventen des Master Ökosoziales Design Nicholas Rapagnani hervorgingen. „Beim letzten Workshop haben wir zum Beispiel gesehen, dass nicht jedes Pilzsubstrat wie gewünscht wächst, auch diese Rückschläge sind Teil des Lernprozesses.“ Im Dezember steht ein weiterer Workshop an: aus Steinmehl (in diesem Fall Laaser Marmorstaub) werden die Studierenden im 3D-Drucker des FabLabs neue Objekte entstehen lassen: „Experimentieren, Kreieren und Dokumentieren, das sind die wesentlichen Schritte, die wir in unseren Kursen gehen“, unterstreicht Aart van Bezooijen. Dabei erläutert er auch, dass in der Materialwerkstatt ungleich den Holz- oder Metallwerkstätten der Fakultät eben nicht produziert, sondern gesammelt und festgehalten wird. Und hier kommt Eva Bauer ins Spiel, Leiterin der Materialwerkstatt, die ganz im Sinne des Dienstleistungsgedanken auch einen großen Papierfundus bereithält, dank dessen die Studierenden die verschiedenen Möglichkeiten für Drucksorten kennenlernen und auch in der Materialwerkstatt erstehen können. Oder kannten Sie bereits die Papiersorte „CrushKiwi“, die Kiwi-Härchen im Papier verwertet, weswegen das Papier eine ganz besondere Textur entwickelt?

„Unsere Materialwerkstatt transportiert sozusagen den Spirit einer neuen Zeit – Vorhandenes soll in Frage gestellt werden, neue Möglichkeiten der Materialität erkannt und zu Neue verknüpft und dann auch dokumentiert werden, um sie über open source Rezepte allen Interessierten zur Verfügung zu stellen."

„Generell lernen die Studierenden vor allem im Masterprogramm Ökosoziales Design, dass es um Kreisläufe geht – fällt bei der Herstellung ein Nebenprodukt wie zum Beispiel Steinstaub an, so gilt es, dieses wiederum in den Konsumkreislauf einzubinden“, so van Bezooijen. „Aber auch der ästhetische Aspekt kommt dabei niemals zu kurz.“ Gelehrt wird den Studierenden, dass extrem viel möglich ist, wenn man nur den Kontext sieht. Mit dem Gedanken des Recyclens und Upcyclings im Blick plant Aart van Bezooijen auch bereits die Teilnahme mit seinen Studierenden im Fashion Revolution Netzwerk, für das im Frühjahr eine Konferenz und Workshops mit dem OEW und den Weltläden geplant sind bei dem Marina Spadafora als Vortragende geladen wird oder Treffen mit Stoffherstellern anstehen und die Auseinandersetzung mit der Materialität auf dem Programm steht. Die Studierenden werden schließlich aufgerufen, sich auch im April an der alljährlich weltweiten Fashion Revolution Week zu beteiligen: Recycling statt Neukauf.

Auch mit Blick auf den nationalen Resilienzplan PNRR ist die Fakultät tätigt geworden. In einem Forschungsprojekt an der Schnittstelle mit den Fakultäten für Naturwissenschaften und Technik sowie Informatik geht es um neue Anwendungen bei leitfähigen Stoffen.

„Unsere Materialwerkstatt transportiert sozusagen den Spirit einer neuen Zeit – Vorhandenes soll in Frage gestellt werden, neue Möglichkeiten der Materialität erkannt und zu Neue verknüpft und dann auch dokumentiert werden, um sie über open source Rezepte allen Interessierten zur Verfügung zu stellen“, resümiert Prof. Aart van Bezooijen. „Es gibt beispielsweise einen Möbelhersteller, der das Konzept Pfandmöbel erarbeitet: Möbel werden mit einem Pfandbetrag gekauft, und wenn sie nicht mehr gebraucht werden, können sie beim Hersteller zurückgegeben werden.“ Es benötige immer mehr solcher Konzepte, die weg vom Wegwerfkonsum hin zum bewussten Umgang mit Materialien führen. Und das bedachte sich Auseinandersetzen mit Materialität wird durch die Materialwerkstatt schon seit dem Beginn des Studiums des Designs und der Künste in Bozen gelehrt.

Credit photo: Eurac Research/Ivo Corrà

 

Related Articles

Tecno-prodotti. Creati nuovi sensori triboelettrici nel laboratorio di sensoristica al NOI Techpark

I wearable sono dispositivi ormai imprescindibili nel settore sanitario e sportivo: un mercato in crescita a livello globale che ha bisogno di fonti di energia alternative e sensori affidabili, economici e sostenibili. Il laboratorio Sensing Technologies Lab della Libera Università di Bolzano (unibz) al Parco Tecnologico NOI Techpark ha realizzato un prototipo di dispositivo indossabile autoalimentato che soddisfa tutti questi requisiti. Un progetto nato grazie alla collaborazione con il Center for Sensing Solutions di Eurac Research e l’Advanced Technology Institute dell’Università del Surrey.

unibz forscht an technologischen Lösungen zur Erhaltung des Permafrostes in den Dolomiten

Wie kann brüchig gewordener Boden in den Dolomiten gekühlt und damit gesichert werden? Am Samstag, den 9. September fand in Cortina d'Ampezzo an der Bergstation der Sesselbahn Pian Ra Valles Bus Tofana die Präsentation des Projekts „Rescue Permafrost " statt. Ein Projekt, das in Zusammenarbeit mit Fachleuten für nachhaltiges Design, darunter einem Forschungsteam für Umweltphysik der unibz, entwickelt wurde. Das gemeinsame Ziel: das gefährliche Auftauen des Permafrosts zu verhindern, ein Phänomen, das aufgrund des globalen Klimawandels immer öfter auftritt. Die Freie Universität Bozen hat nun im Rahmen des Forschungsprojekts eine erste dynamische Analyse der Auswirkungen einer technologischen Lösung zur Kühlung der Bodentemperatur durchgeführt.

Article
Gesunde Böden dank Partizipation der Bevölkerung: unibz koordiniert Citizen-Science-Projekt ECHO

Die Citizen-Science-Initiative „ECHO - Engaging Citizens in soil science: the road to Healthier Soils" zielt darauf ab, das Wissen und das Bewusstsein der EU-Bürger:innen für die Bodengesundheit über deren aktive Einbeziehung in das Projekt zu verbessern. Mit 16 Teilnehmern aus ganz Europa - 10 führenden Universitäten und Forschungszentren, 4 KMU und 2 Stiftungen - wird ECHO 16.500 Standorte in verschiedenen klimatischen und biogeografischen Regionen bewerten, um seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen.

Article
Erstversorgung: Drohnen machen den Unterschied

Die Ergebnisse einer Studie von Eurac Research und der Bergrettung Südtirol liegen vor.