Der (fast) Südtiroler Ethnologenpapst
Wissen Sie, wer Bronislaw Malinowski ist? Wenn nicht, sind sie kein Ethnologe, denn: „Malinowski ist der weltweit wichtigste Name in unserem Fach, er ist für uns wie Einstein für die Physik“, sagt Elisabeth Tauber, Ethnologin an der unibz. Sie untersucht mit ihren Kolleginnen die engen Beziehungen Malinowskis zu Südtirol.
Mit Prof. Dorothy Zinn bildet Elisabeth Tauber nicht nur das Ethnologen-Team an der Bildungswissenschaftlichen Fakultät der unibz, sondern auch den Kopf des „Malinowski Forum for Ethnography and Anthropology”, das sich der Erforschung von Malinowskis Arbeit und Persönlichkeit verschrieben hat. „Unser Schwerpunkt liegt auf dem engen Bezug Malinowskis zu Südtirol“, erklärt Tauber. Schließlich verbrachte der Ethnologen-Papst einen Teil der 1920er- und 1930er-Jahre in Bozen und auf dem Ritten, seine Familie – seine erste Frau Elsie Masson, ebenfalls Ethnologin, und seine drei Töchter – hatte von 1923 bis 1929 gar ihren Lebensmittelpunkt nach Gries und Oberbozen verlegt.
Faschismus aus erster Hand
Schon diese wenigen Daten zeigen: Die Malinowskis erleben mit jener des Faschismus eine für Südtirols Geschichte zentrale Ära aus erster Hand. Und sie sind nicht unbeteiligte Dritte, sondern ethnologisch geschulte Beobachter. Vor allem Masson, die weit mehr Zeit in Südtirol verbringt als ihr Mann, findet sich in der von Malinowski für Ethnologen propagierten Rolle der teilnehmenden Beobachterin wieder. In zahlreichen Briefen an ihre Familie, aber auch in Artikeln für australische Zeitschriften beschreibt sie, was in Südtirol vor sich geht. So macht Masson auf den gewaltsamen Umbau des Bildungssystems ebenso aufmerksam wie auf die Zwangsitalianisierung eines ganzen Landes. „Massons Beobachtungen sind für uns überaus interessant: es sind die Beobachtungen einer Intellektuellen mit einem geschulten, kritischen Auge“, erklärt Tauber. Für die Forscher interessant ist auch der Blick der Kosmopoliten auf Südtirol. Malinowski selbst war 1884 in Krakau geboren, Elsie Masson war Australierin, gemeinsam hatten sie in England, auf den Kanarischen Inseln, in Frankreich und Polen gelebt, bevor sie im Oktober 1922 nach Bozen kamen – genau in den Tagen also, in denen Benito Mussolini mit seinem „Marsch auf Rom“ die Macht im Staate an sich riss.
Drei Ziele, ein Forschungsprojekt
Das ethnologische Interesse ist demnach ein vielfältiges, wie Daniela Salvucci, Forscherin an der unibz, erklärt. Das Malinowski-Forschungsprojekt der Uni Bozen wolle einerseits den Bezug der Familie Malinowski zu Südtirol stärker ausleuchten, zudem wolle man das Forschungsinteresse verstärkt auf die Figur Elsie Masson lenken. „Sie hat nicht nur selbst wissenschaftliche Arbeiten publiziert, sondern hatte auch entscheidenden Einfluss auf die Arbeit ihres Mannes“, erklärt Salvucci. Darüber hinaus untersucht man auch das kosmopolitische Netzwerk, in das Südtirol dank der Beziehungen Malinowskis eingebunden war und zu dem zahlreiche Intellektuelle – nicht zuletzt der Ritten-Urlauber Sigmund Freud – gehörten. „Wir wollen, um es kurz zu machen, mehr über die Persönlichkeiten Malinowskis und Massons erfahren, wir wollen mehr über die Geschichte dieses Landes erfahren und nicht zuletzt der Ethnologie mehr Aufmerksamkeit verschaffen“, so Prof. Zinn.
Der Blick der Enkel
Zum Startschuss des Malinowski-Forschungsprojektes hatte die unibz auch Patrick Burke und Lucy Ulrich Malinowska eingeladen, die Enkelkinder des berühmten Anthropologenpaars. „Wir halten dieses Projekt für ein sehr wichtiges und interessantes“, so Burke, der – wie seine Schwester Lucy Ulrich – den engen Bezug der Familie zu Südtirol gehalten hat. „Wir sind mehrmals im Jahr hier und das Haus in Oberbozen ist immer noch in Familienbesitz“, so Burke.
Doch die Frage sei erlaubt: Wie kommt eine polnisch-australische Familie dazu, sich in Südtirol niederzulassen? Für Ulrich kommt diese Frage nicht unerwartet: „Es gibt eine Reihe guter Gründe, warum man sich für Bozen entschieden hat“, erklärt sie. Allen voran nennt Ulrich Klima und Luft: Sowohl Bronislaw Malinowski als auch seine Frau Elsie seien kränklich gewesen (Bronislaw noch dazu „ein Hypochonder epochalen Ausmaßes“, wie Burke ergänzt), man habe sich von Südtirol Heilung versprochen. Zudem habe sich Malinowski als Altösterreicher in Südtirols Gesellschaft auf Anhieb zurechtgefunden, die Ähnlichkeiten zum Krakau seiner Jugend seien schließlich groß gewesen.
Was in Lucy Ulrichs Aufzählung folgt, sind zwei völlig unpoetische Gründe für die Wahl Südtirols als Lebensmittelpunkt. Der erste war das Geld. „Bozen war billiger als England“, so die Enkelin Malinowskis.
Und: „Es ist Bronislaw auch entgegengekommen, dass seine Familie in Gries und Oberbozen gelebt hat, während er in London gearbeitet hat“, so Ulrich, denn: „Er war kein Kinderfreund, dafür aber ein Frauenheld.“ Der Blick, den das Malinowski-Forschungsprojekt auf den Ethnologenpapst öffnet, ist ganz offensichtlich ein unverstellter...
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