Fermente für die Darmgesundheit
Wie können autochthone Mikroorganismen eingesetzt werden, um bei Fruchtsäften den Zuckerzusatz zu senken und doch den zuckerverwöhnten Gaumen eines gesundheitsbewussten Publikums zu treffen? Eine Aufgabenstellung, der sich das Micro4Food-Team im Project SMARTJUICE gewidmet hat.
Die Schaffung von passgenauen Lebensmitteln, die ebenso nachhaltig produziert wie nährstoffreich einherkommen, das ist das Ziel des Labors Micro4Food der Freien Universität Bozen am NOI Techpark.
Mit dem EFRE-FESR-finanzierten Projekt Smartjuice unter der Leitung von Prof. Marco Gobbetti wurde eine Kooperation mit den Firmen Zuegg Com und Zipperle eingegangen, um eine neue Generation von Fruchtsäften zu schaffen, die aus einheimischen Früchten wie Äpfeln und Birnen erzeugt werden.
„Die an uns herangetragene Aufgabenstellung war dabei klar: Es sollte sich um Säfte mit möglichst niedrigem Zuckergehalt handeln.“
Das Team griff dabei auf ihre Spezialisierung zurück, die Nutzung der Fermentationstechnologie - innovativ angewandt.
Das Projekt selbst wurde in mehrere Phasen unterteilt:
Die Aufgabenstellung der Industrie wurde geprüft und die Kompetenzen von Micro4Food vorgestellt: um technologische Innovation mit einem traditionellen Lebensmittelerbe das die Qualität hochhält und die Bekömmlichkeit in den Mittelpunkt stellt, in Einklang zu bringen, setzt die Forschung von Micro4Food auf die Fermentation. Die Fermentierung ist ein natürlicher und nachhaltiger Prozess, auf dem viele Milchprodukte und Backwaren basieren, aber eben auch Obst- und Gemüseprodukte wie das Sauerkraut. „Gerade in Südtirol ist die jahrhundertealte Lebensmitteltradition der Fermentierung beliebt, und daher wollten wir sie in unserem Labor mit den neuesten Lebensmittelverarbeitungs- und Forschungstechniken kombinieren“, unterstreicht Prof. Raffaella Di Cagno. Die Forschungsgruppe dokumentiert das auszuführende Forschungsverfahren auch bildlich.
In der ersten Projektphase wurden autochthone Mikroorganismen isoliert. Dabei handelt es sich um Organismen, die sich ganz natürlich in den zu fermentierenden Äpfeln und Birnen finden. Der Einsatz genau dieser Mikroorganismen garantiert eine gute Anpassung und optimale Leistung in Bezug auf die zu fermentierenden Säfte‘. Daneben isolierte Forscher Ali Tlais für das Forschungsteam Organismen aus bereits bekannten fermentierten Matrices (Kombucha, Kefir, Sauerteig), um Alternativen zur Verfügung zu haben, sollten die den Früchten vorhandenen Mikroorganismen nicht in der Lage sein, den Zucker weitgehend zu entfernen. Es galt, jene Mikroorganismen zu isolieren, die den Fermentationsprozess am besten in Gang setzen konnten, und damit eine entsprechende Datenbank anzulegen.
Daran schloss sich nahtlos die zweite Projektphase an, in der die potenzielle Fermentationskapazität der Mikroorganismen untersucht wurde. Dabei wurde getestet, wie sehr sie in der Lage waren, Fruchtsäfte zu fermentieren, aber auch, wie gut sie in den Fruchtsäften überleben konnten. Die geeignetsten Mikroorganismen mussten Zucker entfernen, indem sie diesen während der Fermentierung in Polyole umwandelten. Dabei handelte es sich um Verbindungen, die in der Lebensmittelindustrie als Süßungsmittel anstelle von Zucker verwendet werden und für ihre potenziellen gesundheitlichen Vorteile bekannt sind.
Für uns war es wichtig, ein traditionelles Produkt wie einen Apfel-Birnensaft zu erhalten und gleichzeitig zu verbessern, indem bestimmte Funktionalitäten erweitert werden.
Die vielversprechendsten Mikroorganismen wurden zur Entwicklung von Prototypen von zuckerarmen Fruchtsäften verwendet. Zum Einsatz kamen dazu die Pilotanlagen der Freien Universität Bozen, bei denen jeweils einige Dutzend Liter mit den jeweiligen Flüssigkeiten gefüllt wurden, um die Feinabstimmung der Methode zu gewährleisten. Geprüft wurde dabei die Geschwindigkeit der Gärung und die Fähigkeit, den Zuckergehalt in den verwendeten Säften zu senken. Der Prototyp ist ein aus Apfel und Birne gemischter Fruchtsaft, den die Unternehmen laut einer Marktstudie einführen möchten. Nach dieser Forschung am Prototyp im Labor überführten Zuegg und Zipperle die ausfindig gemachten Mikroorganismen in ihre Hallen: es wurden Produktionsversuche in halbindustriellem Maßstab durchgeführt. Dieser Technologietransfer von vergorenen Säften erfolgte im Maßstab von bis zu 500 Litern.
Nach diesem Technologietransfer erfolgte Phase drei, in der die Prototypen an Zelllinien, also an repräsentativen Zellen des menschlichen Darms, auf ihre entzündungshemmende Wirkung getestet wurden. Fermente haben bekanntermaßen eine entzündungshemmende Wirkung auf die Zellen (Epithel) des menschlichen Darms. Diese Tests wurden in-vitro durchgeführt. Weiters wurden die Prototypen von Forscher Andrea Polo mittels des Systems SHIME bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Darm-Mikroflora hin untersucht, also auf die natürlich im Darm vorkommenden Bakterien und Pilze. Eine starke und gesunde Darm-Mikroflora wirkt sich auf das Wohlbefinden des Menschen aus (Verdauung, Aufnahme der Nahrung usw.). Für den Apfel-Birnensaft wurde zudem eine Nährwerttabelle erstellt.
Das Ergebnis des zweijährigen Forschungsprojekts:
Es wurden Starter-Mikroorganismen extrahiert, die es ermöglichen fermentierte Fruchtsäfte mit geringerem Zuckergehalt herzustellen. Dabei wurde großer Wert auf den sensorischen Aspekt gelegt, da der Saft nicht nur weniger Zucker als herkömmliche Säfte enthalten und ernährungsphysiologisch hervorragend sein sollte, sondern er musste natürlich auch den Geschmack der Konsument*innen treffen!
Da der Fruchtsaft SMARTJUICE fermentiert ist, schmeckt er etwas säuerlicher, wird aber von den Konsument*innen als angenehm empfunden. Der vergorene Saft bringt Vorteile wie die Anregung des Stoffwechsels der Darm-Mikroflora und eine längere Haltbarkeit mit sich, weiters eine höhere Sicherheit und bessere Verdaulichkeit.
„Für uns war es wichtig, ein traditionelles Produkt wie einen Apfel-Birnensaft zu erhalten und gleichzeitig zu verbessern, indem bestimmte Funktionalitäten erweitert werden“, resümiert das Forschungsteam von Micro4Food im Projekt SMARTJUICE. „Es ist uns gelungen eine Biokonservierung pflanzlicher Matrices mit sensorischen, ernährungsphysiologischen und strukturellen Merkmalen zu gewährleisten, die denen eines Frischprodukts entspricht. Gleichsam haben wir ein funktionales Lebensmittel hergestellt.“
Zum Forschungsteam gehören Koordinator Prof. Marco Gobbetti, Prof. Raffaella Di Cagno und die Forscher*innen Andrea Polo, Marta Acin Albiac, Ali Zein Alabiden Tlais, Hana Ameur und Sara Casagrande von der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der Freien Universität Bozen.
Das Projekt SMARTJUICE wurde vom Europäischen Regionalentwicklungsfonds (EFRE-FESR 2014-2020) und der Autonomen Provinz Bozen finanziert.
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