Die Vegetation in Städten reagiert auf erhöhte urbane Temperaturen weniger sensitiv. Das Stadtklima von heute ist daher kein Analog für das Landklima von morgen. Diesen Schluss ziehen Ökologen der Universität Innsbruck und der Freien Universität Bozen auf Basis einer aufwendigen Auswertung von pflanzenphänologischen Zeitreihen aus 26 europäischen Ländern.

Vom nordfinnischen Kevo bis zum südspanischen El Rubio und vom westirischen Knightstown bis zum ostfinnischen Mekrijärvi ist die Wachstumsperiode von Pflanzen in urbanen Räumen deutlich verlängert. Durch den städtischen Wärmeinsel-Effekt lassen Stadtbäume ihre Blätter im Herbst später fallen, während sie im Frühjahr zeitiger mit der Blattentfaltung beginnen. Trotzdem reagieren sie auf die erhöhten urbanen Temperaturen weniger sensitiv, als man es auf Basis der klimawandelbedingten jährlichen Temperaturzunahme erwarten würde. Das berichten die Forscher Georg Wohlfahrt und Albin Hammerle vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck sowie  Enrico Tomelleri von der Freien Universität Bozen im Fachjournal Nature Ecology & Evolution.

Späterer Herbst – Früherer Frühling
Laut der Auswertung von „Big Data“ zu 256 Pflanzenarten an rund 20.000 Standorten in ganz Europa beginnt die Vegetation in urbanen Räumen im Mittel um ein bis drei Tage früher mit der phänologischen Frühjahrsphase der Blattentfaltung als im naturnahen Umland. Um dieselbe Zeitspanne später tritt in Städten die phänologische Herbstphase mit Blattverfärbung und Blattfall ein. „Drei Tage mag nicht nach viel klingen, allerdings entspricht dies jener durch den Klimawandel bedingten Veränderung, die wir momentan im Verlauf von beinahe zehn Jahren feststellen. Einfach gesagt, der Einfluss der globalen Erwärmung auf die Natur nimmt Fahrt auf und auch das dadurch deutlich veränderte Stadtklima stellt uns vor große Herausforderungen“, sagt Wohlfahrt.

Nach Angaben der Forscher konterkarieren die Ergebnisse der Studie eine Annahme der Wissenschaft, wonach das Stadtklima wie ein Freilandlabor Aufschlüsse über die Auswirkungen eines möglichen, wärmeren zukünftigen Klimas auf Pflanzen und Tiere geben könnte. „Dies ist nicht der Fall. Die Temperaturerhöhung in Städten ist, was die Phänologie betrifft, kein Analog für ein zukünftiges Landklima, denn Pflanzen in Städten reagieren auf diese zusätzliche Temperaturerhöhung weniger sensitiv“, betont der Ökologe.

Forschungsherausforderung „Stadtklima“
Weshalb aber sprechen Stadtpflanzen weniger empfindlich auf zusätzliche Erwärmung an? Antworten auf diese Frage wird laut den Forschern erst ein feindiagnostisches Verständnis des Stadtklimas und der Anpassung der urbanen Vegetation an diese spezifischen Lebensbedingungen liefern können. Die Forschungsherausforderung „Stadtklima“ bringt Wohlfahrt so auf den Punkt: „Wir brauchen hier noch feiner aufgelöste Daten. In erster Linie zu urbanen Temperaturen, jedoch auch zu vielen weiteren Faktoren, Das sind unter anderem: Luft- und Lichtverschmutzung, künstliche Standortfaktoren, wie etwa beschränktes Bodenvolumen, veränderte biotische Wechselwirkungen, z.B. Bestäubung. Außerdem muss laut den Forschern berücksichtigt werden, dass das Mikroklima in Städten räumlich extrem unterschiedlich ist.

Die nun publizierten Ergebnisse decken sich mit den Ergebnissen von früheren, kleineren Studien aus Deutschland. Allerdings hat das Tiroler Team erstmals auf Basis von rund zwölf Millionen Einträgen zu pflanzenphänologischen Beobachtungen zwischen 1981 und 2010 zu 256 Pflanzenarten an insgesamt rund 20.000 Standorten der Paneuropäischen Phänologischen Datenbank (PEP725) der Österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) mit Sitz in Wien die Temperatursensitivität der Vegetation im Vergleich zum Urbanisierungsgrad ausgewertet.

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