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Der Südtiroler Konsument kauft gern regionale Lebensmittel und sorgt sich um das Wohl der Nutztiere – das ergaben Studien der EURAC und der unibz. Warum genießen Produkte vom Bauern nebenan einen Vertrauensvorschuss? Und ist er berechtigt? Auskunft darüber geben Christian Hoffmann, EURAC, und Christian Fischer, unibz.

Herr Hoffmann, welches Produkt darf sich regional nennen?

Christian Hoffmann: „Regional“ ist weder ein Label noch ein Zertifikat. Jedes Produkt, das in der Region hergestellt wird, kann sich so nennen. Im Idealfall stammen die Rohstoffe aus der Region und werden auch hier verarbeitet. Doch vor allem bei zusammengesetzten Produkten wie Brot, Nudeln, Joghurt oder Marmelade ist es schwierig nachzuweisen, ob alle Inhaltsstoffe aus der Region stammen. Nicht überall, wo regional draufsteht, ist also auch regional drin. Und selbst wenn einzelne Inhaltsstoffe nicht aus der Region stammen, kann ein Produkt einen hohen regionalen Stellenwert haben.

Zum Beispiel?

Hoffmann: Ich denke da etwa an kleine regionale Marmeladenhersteller, die mitunter auch Orangenmarmelade im Sortiment haben. Obwohl die Orangen sicherlich nicht aus Südtirol stammen, genießt das Produkt einen großen Vertrauensvorschuss, weil man den Produzenten kennt und das Unternehmen in der Region produziert. Das Konzept „regional“ basiert auf Vertrauen.

Regional ist kein Label, sagen Sie. Aber gibt es nicht, zumindest auf EU-Ebene einige Labels, die für regional stehen?

Hoffmann: Auf Europäischer Ebene gibt es das Label G.G.A. (Geschützte Geografische Angabe) und das Label G.U. (Geschützte Ursprungsbezeichnung). Beide schützen die Marke, sagen aber wenig aus über die Herkunft der Inhalts- und Rohstoffe. Der Südtiroler Markenspeck führt etwa das G.G.A. Siegel, obwohl die Schweinsschenkel für die Südtiroler Speckproduktion nicht ausschließlich aus der Region stammen. Es wäre auch undenkbar, in Südtirol jedes Jahr 3,2 Millionen Schweine zu halten, um 6,4 Millionen Hammen zu erzeugen. Ähnlich verhält es sich auf lokaler Ebene mit dem Label „Qualität Südtirol“. Es steht zunächst einmal für eine hohe Lebensmittelqualität, bedeutet aber auch nicht, dass alle verwendeten Zutaten aus der Region stammen. Das garantieren in Südtirol schon eher die Produkte des Labels „Roter Hahn“: Diese lokal hergestellten bäuerlichen Lebensmittel unterliegen sehr strengen Regeln, was die Zutaten betrifft. Sie sind Nischenprodukte, die man nicht in Supermarktketten findet.

Regional ist weder ein Label noch ein Zertifikat. Es ist ein Konzept und basiert auf Vertrauen.

Südtiroler Konsumenten vertrauen regionalen Lebensmitteln eindeutig mehr als biologischen Produkten oder solchen aus dem Fair-Trade-Handel – das zumindest geht aus einer EURAC-Studie hervor. Wie erklären Sie sich das?

Hoffmann: Regional ist überschaubar. Regional ist vertraut. Vor allem aber ist regional nach verbreiteter Vorstellung weit weg von den Skandalen der industriellen Lebensmittelproduktion. Auch glauben wir, als Konsument auf lokale Erzeuger einen gewissen Druck ausüben zu können. Denn lokale Händler werden sich hüten, schlechte Ware zu verkaufen. Wenn ich regional kaufe, erwerbe ich nicht nur das Produkt, sondern drücke auch meine Wertschätzung gegenüber dem lokalen Produzenten aus. Fördere damit die lokale Wertschöpfung. Leiste möglicherweise indirekt einen Beitrag zur Erhaltung der Kulturlandschaft und trage obendrein noch zur CO2-Reduzierung und damit zur Nachhaltigkeit bei.

Mehr noch als für „regional“ oder „bio“ würden Südtiroler Konsumenten für ein Label mit Tierwohl-Garantie ausgeben, ergab kürzlich eine unibz-Studie. Hat Sie das überrascht, Herr Fischer?

Christian Fischer: Nein. Zum einen ist es sozial erwünscht, Mitgefühl für Tiere auszudrücken. Die Befragten sagen also, was sie denken, dass von ihnen erwartet wird. Die tatsächliche Zahlungsbereitschaft spiegelt das sicherlich nicht wider. Zum anderen war es auch gar nicht Ziel der Studie, diese Zahlungsbereitschaft wissenschaftlich zuverlässig zu erfassen – dann hätten wir anders vorgehen müssen. Deshalb sollte dieses Ergebnis nicht überbewertet werden.

Ein anderes Ergebnis der Studie war, dass viele Südtiroler glauben, heimische Bauern kümmerten sich mehr um das Wohl der Nutztiere als ausländische. Stützen Fakten diese Überzeugung?

Fischer: Hier zeigt sich der Verbraucherpatriotismus, den Herr Hoffmann schon angesprochen hat: Lokale Produkte kennt man eben und zumindest theoretisch kann man besser kontrollieren, wie sie hergestellt werden. Die Realität ist jedoch häufig eine andere. Wie überall auf der Welt gibt es auch in Südtirol vorbildhafte Produzenten und schwarze Schafe. Tierhaltung ist bei uns im Allgemeinen kleinstrukturiert. Das garantiert eine Nähe zwischen Halter und Tier, die in großen Betrieben nicht möglich ist. Und natürlich wollen Tierhalter nur das Beste für ihre Tiere – die Ansichten, was das Beste ist, sind aber sehr unterschiedlich. Standards ändern sich im Lauf der Zeit und die gute landwirtschaftliche Praxis muss sich anpassen. Kleine Betriebe haben damit manchmal Schwierigkeiten, zumal wenn sie überaltert sind: Sie investieren nicht immer rechtzeitig und ausreichend in moderne Produktionsweisen.

Besondere Bedenken haben die Südtiroler laut Studie bei der Hühnerhaltung: Warum schneidet die so schlecht ab?

Fischer: Die Massenkäfighaltung von Hühnern war in den Medien ein großes Thema. Denken Verbraucher an zweifelhafte Tierhaltungspraktiken fällt ihnen als erstes dieses Beispiel ein. Selbst in Südtirol, wo Geflügelhaltung nicht sehr verbreitet ist und Großteils artgerecht erfolgt – das ist ein interessantes Ergebnis unserer Untersuchung.

Ist ein Freilandprodukt immer auch ein biologisches Produkt?

Fischer: Das ist eine Frage der Definition und Zertifizierung. Die biologische Produktionsweise sieht häufig Auslauf im Freiland vor, aber es gibt da verschiedene Standards. Dazu kommen dann noch Aspekte wie die Futterqualität: Stammt das Futter aus biologischem oder konventionellem Anbau? Ein Freilandprodukt muss nicht immer ein zertifiziert biologisches Erzeugnis sein und umgekehrt sind nicht alle biologischen Erzeugnisse zu 100% Freiland-Produkte.

Können Sie sich vorstellen, dass das Tierwohl teil eines Südtiroler Regional-Labels wird? In Deutschland gibt es so ein Label schon.

Fischer: Verbraucheransprüche wachsen ständig. Damit ist es nur eine Frage der Zeit, bis es Tierwohl-Kennzeichen auch in Italien und Südtirol gibt. Es besteht ja eine Verbindung zur Produktqualität. Wir betrachten Produkte von gesunden Tieren – also von Tieren, die sich physisch und psychisch wohl fühlen – als „gesündere“ Produkte auch für den Menschen. Wer also hochqualitative tierische Produkte herstellen will, der kommt um die Frage der Qualität der Tierhaltung nicht herum: Gesunde Produkte kommen nur von gesunden Tieren bzw. Qualitätsprodukte nur aus Qualitätstierhaltung.

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Christian Hoffmann und Christian Fischer plädieren für vernünftige Verbraucherentscheidungen

Herr Hoffmann, Sie haben zuvor die Nachhaltigkeit als einen der Gründe genannt, weshalb Herr und Frau Südtiroler gerne regional kaufen. Äpfel aus der eigenen Region zu konsumieren wäre also das richtige Verhalten?

Hoffmann: So einfach ist das nicht: Nur wer versucht, bewusst saisonal verfügbares Obst und Gemüse zu konsumieren, handelt streng genommen nachhaltig. Wenn ich beispielsweise Südtiroler Äpfel außerhalb der Saison beziehe, die im Kühllager aufbereitet werden, dann schaut deren Ökobilanz nicht besser aus als jene von Äpfeln, die aus Neuseeland mit Containerschiffen importiert wurden. Nachhaltigkeit liegt immer in der Verantwortung des Konsumenten. Das beginnt schon damit, wie man zum Geschäft fährt – im Auto oder Fahrrad –, ob man bereit ist, die Einschränkung in Kauf zu nehmen, nur saisonale Produkte zu kaufen und den Aufwand auf sich nimmt, sich mit der Zubereitung und Verwendung einer größeren Vielfalt an Produkten auseinanderzusetzen. Das ist nachhaltig, und eine Lebensphilosophie die zunehmend chic ist.

Regional, tierwohlgarantiert, biologisch – welches ist für Sie persönlich die richtige Entscheidung, Herr Fischer?

Fischer: Ich kaufe weder verschrumpelte Bio-Karotten noch überteuerte Regio-Produkte. Spezielle Tierwohl-Erzeugnisse gibt es ohnehin noch kaum. Das alles sind auch nur gedankliche Schubladen, die Entscheidungserleichterung versprechen, wissenschaftlich auch „Heuristiken“ genannt. „Bio“ ist „gut“ und „in Mode“, also sind alle Bio-Produkte ebenfalls gut und richtig, und ich kann beim Einkaufen den Kopf ausschalten. Das ist bequem, aber nicht im Sinne einer vernünftigen Verbraucherentscheidung. Jedes Produkt sollte auf seinen konkreten Wert, also seinen Nutzen pro Kosteneinheit geprüft und mit ähnlichen Produkten verglichen werden. Das hört sich komplizierter an, als es ist. Die Einschätzung des Werts ist aber natürlich eine individuelle – jeder kommt da zu seiner eigenen Schlussfolgerung. Im Sinne einer gesunden Ernährung kann jedenfalls eine frische konventionelle Karotte zweckdienlicher sein als eine nicht so frische Bio-Karotte: In der frischen stecken mehr Nährstoffe, das kann eventuelle Unterschiede im Schadstoffgehalt wettmachen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es Tierwohl-Kennzeichen auch in Italien und Südtirol gibt.

Wie erfolgreich sind Initiativen wie das Biokistl und die “solidarische Landwirtschaft“? Ist das das Modell der Zukunft?

Fischer: Solche alternativen Lebensmittelversorgungsnetzwerke wachsen, vor allem in den Städten. Im Sinne von mehr Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher sind sie absolut zu begrüßen. Prinzipiell bringt eine große Auswahl aber immer auch gesellschaftliche Mehrkosten mit sich und es gilt, ein gesundes Gleichgewicht zu finden. Das bewerkstelligt der Markt und man wird sehen, was sich letztendlich behauptet und bleibt. Ganz allgemein geht es aber darum, ausreichend Nahrungsmittel für gegenwärtig 7,3 Milliarden Menschen zu produzieren und gerecht zu verteilen, und das so kostengünstig und insbesondere auch so nachhaltig wie möglich. Diese Mammutaufgabe wird bislang noch – sicherlich nicht perfekt – von konventionellen Produktions- und Distributionssystemen bewältigt.

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