Wenn Manager künftig Prozesse in ihren Unternehmen überwachen, wenn sie Flaschenhälse und Schwachstellen ausfindig machen und diese beheben (oder noch besser: sie gar nicht erst entstehen lassen) wollen, werden sie sich auf einen kompetenten Berater verlassen können: ihren Computer. An den Grundlagen für die dafür nötige künstliche Intelligenz arbeiten Forscher der Freien Universität Bozen.

An der Bozner Fakultät für Informatik forscht das „KRDB Research Centre for Knowledge and Data“, das erst vor kurzem wieder den Sprung in die Schlagzeilen geschafft hat. Marco Montali (im Bild) und Professor Diego Calvanese hatten sich bei der weltweit renommiertesten Veranstaltung im Bereich des Prozessmanagements, der BPM in Rio de Janeiro, den „Best Paper Award 2016“ für den besten Fachartikel gesichert. Der trägt den Titel „Semantics and Analysis of DMN Decision Tables“ und ist für Nicht-Eingeweihte ein Buch mit sieben Siegeln. Ein paar davon haben wir mit Marco Montali zu öffnen versucht.

Nicht rechnen, sondern verstehen

Da geht es einmal um die Frage, woran man am KRDB Research Centre denn überhaupt forsche. An künstlicher Intelligenz, die Managern und IT-Experten in Unternehmen helfen solle, große Mengen komplexer Daten sinnvoll zu strukturieren und diese für die Analyse und Optimierung der Unternehmensprozesse zu nutzen, erklärt Montali, Senior Researcher in Bozen. Weil kein Mensch imstande sei, die in Unternehmen anfallenden Mengen von Daten zu durchschauen, solle dies der Computer übernehmen. Bereits heute durchforsten Computer die Daten, berechnen Indikatoren und geben den Managern Entscheidungshilfen an die Hand.

Die Forschung an der unibz geht allerdings weiter oder besser: tiefer. „Wir wollen, dass die künstliche Intelligenz die Unternehmensprozesse versteht, dass sie die Idealvorstellung kennt, sie mit der Realität abgleicht, Schwachstellen aufzeigt und Gegenmaßnahmen vorschlägt“, so Montali. Mehr noch: Der Computer solle die Manager auch rechtzeitig davor warnen, dass Schwachstellen auftreten könnten, wenn er erkennt, dass bestimmte Parameter in eine solche Richtung weisen.

Ein System für Autos und Patienten

Als wäre diese Aufgabe nicht schon komplex genug, legt man am KRDB Research Centre an der Freien Universität Bozen noch ein Scheit nach. Hier arbeitet man an standardisierten Systemen, die auf alle Unternehmen, auf alle Betriebe, auf alle Organisationen Anwendung finden sollen – „von der Herstellung von Autos bis zur Versorgung von Patienten in einem Krankenhaus“, betont Montali.
Dieser breite Ansatz wartet mit neuen Herausforderungen auf: Jeder Produktionsprozess, auch jener von Autos sei relativ einfach zu definieren, weil er durch und durch standardisiert sei. Bei der Behandlung von Patienten sehe das schon ganz anders aus, weil zahlreiche individuelle Variablen ins Spiel kämen: „Wir brauchen deshalb ein Beratersystem, das nicht stur an vorgegebenen Prozessen festhält, sondern Abweichungen erkennt, sie akzeptiert und auch entsprechende Handlungsalternativen aufzeigt“, so Montali.

Daten und Prozesse zusammenführen

Der Ansatz, den man dabei an der unibz verfolgt, ist deshalb ein ganzheitlicher. Während man anderswo vor allem die Prozessoptimierung im Auge hat („business intelligence“) oder sich auf die Datenstrukturierung konzentriert („knowledge representation“), führt man in Bozen beide Konzepte zusammen: „Wir kombinieren beide Bereiche, auch weil die Unternehmen genau das brauchen“, betont Montali.

Wichtig sei dabei, dass die künstliche Intelligenz an der Seite der Manager und IT-Experten die Systeme der jeweiligen Unternehmen unterstützen und sie nicht über den Haufen werfen würden. „Wir arbeiten deshalb an minimal invasiven Systemen, an solchen also, die die bereits vorhandenen Daten eines Unternehmens verstehen, sie mit Blick auf die zu optimierenden Prozesse betrachten und mit der bereits genutzten Software zusammenarbeiten“, so Montali. Nur so ließen sich die Kosten für ein solches System in vertretbaren Grenzen halten.

Und wann kommt der künstliche Berater?

Nach alledem versteht man: Die Materie ist hochkomplex. So haben Montali und Prof. Calvanese fünf Jahre lang an den theoretischen Grundlagen gearbeitet, um Daten und Prozesse zusammenzuführen. Seit rund einem Jahr sei man nun endlich so weit, entsprechende Prototypen zu entwickeln. Und diese könnten einmal als Basis für eine Software herangezogen werden, die die eingangs beschriebene Beraterrolle im Unternehmen einnehmen könnten.
Wann der künstlich intelligente Berater Realität wird, darüber lassen sich noch keine Prognosen abgeben, allerdings betont Montali, dass die künstliche Intelligenz insgesamt enorme Fortschritte mache und die Fachwelt positiv überrasche. „Eigentlich hat man damit gerechnet, dass eine künstliche Intelligenz den Menschen in hochkomplexen Strategiespielen erst in zehn Jahren oder mehr schlagen könnte, dabei ist das bereits heute der Fall“, so Montali. Für den Unternehmensberater in Computergestalt lässt das hoffen.

Foto: unibz/Voltolini

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